Abschließend
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Amiga-Gegenwart und -Zukunft: Ein Blick aus der Ferne (von Marco Siegel)

Da ich darum gebeten wurde, meine persönliche Ansicht der Dinge zu Papier 
zu bringen, kommt es hiermit zu dem unglaublichen Skandal, dass ein 
Windows-Benutzer sich des Schlussworts annimmt. ;)

Nicht ohne Interesse verfolge ich (nicht allzu stetig) öfter mal das 
Geschehen auf dem Amiga-Markt aus der weiten Ferne. Und als jemand, der den 
Amiga sieben Jahre lang verwendet hat, kann ich bei der derzeitigen 
Situation und der sich mal wieder abzeichnenden Spaltung nur den Kopf 
schütteln.
Um darzulegen, was genau so lächerlich ist, genügt es, eine kleine Rechnung 
aufzustellen und diverse Dinge aus objektiver Sicht zu betrachten:

Tatsache ist, dass ein neuer Amiga ohne Zweifel für lange Zeit nur ein 
Nischenrechner sein würde, da ganz einfach niemand ein ausreichendes 
Marketing-Budget hat, um den "Großen" signifikante Marktanteile abjagen zu 
können (was nicht mal etwas Schlechtes sein muss).
Diese Nische sollte allerdings vorher erst einmal gefunden werden. Der 
Rechner müsste eine bestimmte Hardware in Verbindung mit einmaliger 
Software bieten, die es nirgendwo anders gibt, zum Beispiel ein 
Komplettrechner der Video-Ein- und -Ausgänge bietet, einen qualitativ guten 
Encoder-Chip hat, Firewire-Anschluss besitzt, eine günstige und 
leistungsfähige Schnittsoftware im Bundle mitbringt und preiswert (ich 
benutze bewusst nicht den Begriff "billig") ist.
Und das ist nicht mal die einzige Nische, die es zu belegen gäbe...da böten 
sich es im Lowtech-Grafikbereich und Soundsektor genau dieselben (wenn 
nicht) bessere Chancen.

Alles schön und gut, aber leider scheint sich keiner der beiden 
"Möchtegern-Beerber" darüber Gedanken gemacht zu haben. Sie verkaufen ein 
Board, wenn es hochkommt, ein Board im Tower mit (wohl billiger) 
Grafikkarte und einem OS, bei dem so gut wie nichts sicher ist (außer, dass 
die Icons billig aussehen) ;). Da keimt der noch geringe Verdacht, dass 
scheinbar nicht viele langfristige Überlegungen und Pläne dahinterstehen.

Noch eine andere kleine Kalkulation, die diesen aufkeimenden Verdacht 
verstärkt: Es gibt (wohlwollend gerechnet) noch 30.000 aktive Amiga-User in 
Europa. Einige davon sind mit ihrem 68k-Rechner zufrieden, andere wollen 
kein Geld für einen neuen Rechner ausgeben bzw. haben aus verschiedenen 
Gründen kein Geld dafür, so dass man günstigstenfalls davon ausgehen kann, 
dass 50 Prozent sich für einen der neuen Rechner entscheiden würden. Das 
wären also höchstens 15.000 Europäer, die sich auf beide Systeme verteilen. 
Laut einer Online-Umfrage, die ich irgendwo gefunden habe, tendieren mehr 
als die Hälfte wohl für die offizielle Lösung, während sich die Deutschen 
tendenziell stärker an bplan orientieren. Egal, der Einfachheit halber 
gehen wir davon aus, dass jeder denselben Anteil, nämlich 7.500 Käufer, 
bekommt.

Da das Werbebudget bei beiden verschwindend klein ausfallen wird, kann sich 
jeder an fünf Fingern ausrechnen, dass außer aus dem Amiga-Stammmarkt keine 
neuen Käufer hinzukommen werden. Woher auch? Es gibt ja nicht einmal die 
Chance, über einen solchen Rechner zu stolpern und einen Zufallskauf zu 
tätigen, was auch nicht weiter verwundert, denn es gibt keine öffentlich 
erhältlichen Magazine mehr, und Amiga-Läden lassen sich an zwei Händen 
abzählen. Keine Neukunden also!

Nun soll mir jemand plausibel erklären, wer für eine Anwenderschar von 
7.500 Leuten kommerzielle und zeitgemäße Software entwickeln soll? Das kann 
niemand und das wird auch niemand tun!
In so einer Marktsituation ist es schlichtweg schwachsinnig, alternative 
"Projekte" zu lancieren - es sei denn, man will nur kurz ein paar Tausend 
Boards loseisen, ehe die Chance endgültig vorbei ist. Da hat keiner eine 
Vision oder großartige Ideen...beide wollen nur Geld.

Wenn es um die weitere Entwicklung des Amiga-Marktes gehen würde, dann 
hätte bplan nie versucht, solch eine Spaltung herbeizuführen, oder sie 
hätten sich geeinigt, anstatt sich gegenseitig ans Bein zu pinkeln.

Unterm Strich bleibt der Verdacht, dass beim AmigaOne kurzfristig Geld mit 
dem Verkauf asiatischer PPC-Boards an Land gezogen werden soll. Man könnte 
noch wohlwollend argumentieren, dass die ersten Profite aus dem Verkauf des 
AmigaOne dann auch in ein neues Produkt investiert werden, das einen 
Mehrwert gegenüber dem Original besitzt und vielleicht auch mit Software 
gebundlet wird, um die fehlende Marktnische zu besetzen.

Zu bplan kann ich nichts Gutes sagen. Ohne Lizenz versuchen sie, sich ein 
Stück vom Kuchen abzuschneiden, und spalten den sowieso schon winzigen 
Markt. Es ist völlig egal, ob ihr angekündigtes System tatsächlich besser 
ist oder nicht - es besiegelt die Erstickung der letzten kleinen Chance für 
ein Überleben des Amiga-Marktes. 

Und währenddessen sitzt AMIGA, Inc. in den Staaten und meint, die 
chronische Geldnot mit PDA-Kram beseitigen zu können, wo doch die momentane 
(und prognostizierte) Umsatzentwicklung im PDA-Markt steil nach unten geht. 
Viel Glück auch.


Der Amiga war und ist ein wundervoller Rechner. Leider ist der Mangel an 
bestimmter Software eklatant. Wenn man aber keine höheren Ansprüche hat und 
darauf verzichten kann, die neuesten Games zu zocken, lässt es sich immer 
noch relativ gut damit leben. Falls nicht, muss man sich halt eine andere 
Plattform suchen, denn ein Rechner ist vorrangig ein Werkzeug (auch wenn 
ihn manche als Religion ansehen/ansahen).

Bleibt bei eurem Amiga, so lange ihr damit leben könnt. Schaut euch 
Scenedemos an, lest Diskmags, werdet selbst kreativ (pixelt, macht Sound, 
etc.), tretet in Kontakt mit Gleichgesinnten - das hilft, selbst die 
größeren Depressionen zu vertreiben.

Und kauft euch euren wegweisenden bplan-Rechner, wenn ihr unbedingt wollt, 
aber sagt nicht, das euch keiner gewarnt hat. Für mich hat das Ganze 
jedenfalls einen fahlen Beigeschmack.

Marco Siegel <xenusion@xenusion.com>